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Die Neuanfertigung der Gangfeder für ein Taschenchronometer  
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Hermann Sacher  2001


Neuanfertigung der Gangfeder für ein Taschenchronometer von L. U. Jürgensen, genannt "Die Ruine"

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Anmerkung:
Ein Beitrag für die UhrenH@nse von Hermann Sacher. Der Autor übernimmt keine Garantie für die Funktion und das Verfahren. Du  findest alle Ergebnisse seiner umfassenden Jürgensen Forschung in englischer Sprache auf seiner Homepage

Fragen und Informationen an/für den Autor Hermann Sacher.

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Die Anfertigung einer Chronometerfeder wurde schon oft beschrieben. Die wenigsten allerdings haben sich daran gemacht, tatsächlich eine solche Feder herzustellen. Der Abschreckungseffekt ist einfach zu groß. Es verhält sich ähnlich wie mit der sagenhaften "1. Million"! Wer die geschafft hat...... Und so ist jedes neue Projekt ein neues Abenteuer, bei dem die Entwicklung eigener Techniken und die Anwendung immer neuer Tricks unabdingbar ist, was meine nachfolgenden Hinweise und Anmerkungen rechtfertigt.

Voraussetzung: Das beschädigte, unbrauchbare Stück ist noch vorhanden. Die Originalfeder im vorliegenden Fall ist von besonderer Bauart, indem der sonst übliche Befestigungswinkel fehlt, was den Nachbau vereinfacht. Der federnde Teil der Feder wird einfach unter eine am Federkloben festzuschraubende Lasche geschoben. Nach Bestimmung der richtigen Lage der Ruhefläche wird die Lasche festgeschraubt und das unter der Lasche befindliche Federende durch einen Stift gesichert.

  1. Von grundlegender Wichtigkeit ist die Auswahl eines geeigneten Werkstoffs. Man darf grundsätzlich nur "definierte" Stähle verwenden, im vorliegenden Fall 20 AP. Die zu leistende Arbeit ist viel zu wertvoll, um am Ende ein ungenügendes Ergebnis vorliegen zu haben, selbst wenn die fertigen Feder äußerlich perfekt ansieht.
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  2. Aus einer möglichst genau und winkelrecht vorgefrästen Stahlplatte (Walzrichtung beachten) Stäbchen (gew. 30 x 4,5 x 2,0 mm) freihändig sägen (Hartmetallsägeblatt auf Arbeiten mit Pointier-Maschine Aubert - Bild zum Vergrößern bitte anklickenDorn, Sägetischchen, Schaublin 70), Sägeflächen nachfräsen und fein schleifen.
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    Es ist Uhrmacherbrauch, grundsätzlich mehrere gleiche Rohlinge vorzubereiten.
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  3. Eines der Stäbchen als Träger herrichten. An den Enden vorbohren und je ein Gewinde (gew. M 1,4) einschneiden. Bei den übrigen Stäbchen die zum Träger passenden Schraubenlöcher bohren.
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  4. Bohren des Lochs, das später der Aufnahme des Ruhesteins dienen wird. Position des Lochs auf dem eingespannten Träger nach Maßgabe des Originals einstellen und Loch bohren (Pointiermaschine Aubert mit Präzisionsspanner Röhm). Einspannung und Zentrierung nicht verändern, Rohlinge nacheinander auf den eingespannten Träger aufschrauben und bohren (0,5 mm).

    Abbildung 1

  5. Rohlinge Loch (Ruhestein) über Loch zusammen einspannen, ausrichten und auf der dem Ruhesteinloch gegenüberliegenden Längsseite u-förmig ausfräsen (Pointiermaschine Aubert mit Präzisionsspanner).
  6. Der Purist wird einwenden, daß auf einer Pointiermaschine nicht gefräst werden sollte. Diese Meinung ist zwar grundsätzlich richtig. Bei entsprechend vorsichtigem Vorgehen sollte die Maschine jedoch keinen Schaden nehmen.

    Mehrere Rohlinge zusammen einzuspannen um sie gemeinsam zu bearbeiten ist zwar ein Risiko beim Ausrichten, erleichtert jedoch das Einspannen der doch schon ziemlich kleinen Werkstücke.

  7. Fräsen des Hülsenansatzes - Bild zum Vergrößern bitte anklickenUmspannen und gegenüberliegende Längsseite nach Augenmaß vorfräsen (Pointiermaschine Aubert mit Präzisionsspanner).
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  8. Träger erneut einspannen(Pointiermaschine Aubert mit Präzisionsspanner) und über dem für den Ruhestein vorgesehenen Loch zentrieren. Rohlinge nacheinander mit dem Träger verschrauben. Einen Kreisring mit einem Innendurchmesser von wenig mehr als dem äußeren Fertigmaß der Ruhesteinhalterung (gew. 0,8 mm) und einer Tiefe nach Augenmaß (Endgültige Breite der fertigen Feder 0,9 mm) ausfräsen (Hartmetallfräser ca. 2,5 mm).

  9. Abbildung 2

  10. Umspannen, - jetzt muß aber neu zentriert werden - , und gegenüberliegende Seite gleichartig bearbeiten, aber beachten, daß Material für die Ausarbeitung des Lagerbocks für die Goldfeder gebraucht wird.
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  11. Die Ober- und Unterseiten der Feder unter Belassung der Verschraubungen auf das unter OZ 7 und 8 vorgegebene Maß abfräsen (Hartmetallfräser ca. 2,5 mm).
  12. Die Stäbchen, jetzt einem (einseitigen) Hundeknochen nicht unähnlich, sollten nun einen Querschnitt von ca. 1,0 x 1,2 – 1,4 mm aufweisen. .

  13. Arbeiten mit dem "Equilibre" - Bild zum Vergrößern bitte anklickenFederinnenseite fertig befeilen (Equilibre) einschließlich der dort befindlichen Seite der jetzt entstehenden Ruhesteinhülse.

    Abbildung 3
  14. Die Rundung der Hülsenhälfte entsteht durch Variation der Tiefenverstellung des Equilibretopfes kombiniert mit einseitig auf dem Rand des Equilibre aufgelegter und geführter Feile, deren Verkantung von ganz flach bis ganz steil je nach Bedarf variiert wird. Auf diese Weise läßt sich das Fertigmaß der Hülse unter Bezug auf die unter OZ 7 ausgeführten Vorarbeiten ganz genau und ohne Verrundungen herstellen.

  15. Vier neue Träger, längliche, hochkant zu benutzende und in den Equilibretopf passende Messingstege ( gew. ca. 30 x 10 x 2,5 mm) vorbereiten. Ersten Träger mit Aussparung für die Hülsenhälfte der Federinnenseite, zweiten Träger mit Aussparungen für die Hülsenhälfte der Federaußenseite und den Lagerbock versehen.
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  16. Feder auf ihrer Innenseite auflacken (erster Träger, Sekundenkleber). Außenfläche der Feder fertig befeilen, d. h. zweite Hälfte der Hülse für den Ruhestein fertig bearbeiten, Lagerbock für die Befestigung der Goldfeder herausmodellieren, Federsteg auf Fertigmaß bringen und federnden Teil der Feder auf das Maß des Federsteges bringen (Equilibre).
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  17. Im aufgelackten Zustand einspannen und eine Federlängsseite, einschließlich Entfernen der jetzt überstehenden Hülse, glatt fräsen.
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    Die auf der einen Seite überstehende Hülse diente nur als Feilhife.
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  18. Im aufgelackten und eingespannten Zustand (Aubert) Kernloch für das Gewinde der Befestigungsschraube der Goldfeder auf dem Lagerbock, von Mitte Hülse ausgehend, Schneiden eines sehr kleinen Gewindes in der Triebnietmaschine - Bild zum Vergrößern bitte anklickenausmessen und bohren (0,3 mm Kernloch).

  19. Ablacken (EthylMethylKeton) und Verschraubungshilfen entfernen.
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  20. Feder auf ihrer Außenseite auflacken (zweiter Träger, Sekundenkleber). Freihändig Unter- bzw. Innenseite des Lagerbocks für die Goldfeder ausarbeiten. (Schaublin 70, Dorn mit Harmetallsägeblatt 0,5 mm, Sägetischchen).
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  21. Umlacken und das Gewinde für die Befestigungsschraube der Goldfeder (Gewinde 0,4 mm) schneiden. (Triebnietmaschine mittels in passendem Punzen eingelacktem Gewindebohrer).

    Abbildung 4
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  22. Bearbeiten der restlichen zwei unter OZ 11 hergestellten Träger zur Fertigstellung der Federschmalseiten. Längsschmalseiten der Träger mittig schlitzen, ca. 0,8 mm. Anbringen je einer Bohrung zur Aufnahme der Hülse und des Goldfeder – Bocks. Anbringen von Aussparungen für notwendige Feilarbeiten auf der Feder- Ober- und Unterseite.
  23. Mehr ins Detail gehende Beschreibungen von Arbeitsschritten können von diesem Bearbeitungsstand der Feder nicht mehr gemacht werden.

  24. Feder vor dem Härten in Handarbeit mit Hilfe der unter OZ 17 hergestellten Halterungen möglichst weitgehend fertigstellen (Equilibre).
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  25. Anfertigen eines möglichst dünnwandigen (0,10 mm Wandstärke) Stahlröhrchens (Durchmesser ca. 3,5 mm), entsprechend der Länge der Feder mit reichlich Übermaß und gelochtem Boden sowie gelochtem Deckel.
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  26. Feder mittig in das Röhrchen einführen und mit mehlfein gemahlenem "acidum boricum" auffüllen, außen leicht mit Bindedraht (unlackiert) sichern und Henkel anformen. Kristallwasser durch langsames Erwärmen mit Gasflamme (Microtorch) von der Mitte des Röhrchens ausgehend austreiben. Danach in weicher , milder Flamme glühen (nicht zu kurz) und in Wasser abschrecken. Durch Auskochen "acidum boricum" auflösen. Feder auf feinster Messing- oder Eisenfeile blau anlassen.
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  27. Schleifen und polieren unter Verwendung der früher vorbereiteten Träger oder auf Flaschenkorken (erspart das Auf- und Ablacken, erfordert aber Übung) nach Gutdünken und Erfahrung.
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  28. Nochmals bläuen und fertig schleifen (Federinnenseite), bzw. polieren (Federaußenseite).
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    Hinweis: Beim Polieren von Hand ist immer die Gefahr des Verrundens der Kanten gegeben! Vielleicht entschließt man sich zugunsten planerer Flächen, auf das Polieren zu verzichten und sich mit einem feinem Schliff zufrieden zu geben.

Nachwort: Da die neu anzufertigende Feder sehr klein und zart ist, bedarf es nur schon aus Gründen der sicheren Einspannung und Handhabung allerlei ergänzender Vorrichtungen, die zusätzlich anzufertigen sind, und eines beachtlichen Aufwandes an Maschinen und Werkzeugen.

Wie eingangs gesagt wird in der Literatur die Herstellung einer Chronometerfeder zwar wiederholt beschrieben (z. B. Helwig), dennoch kann bei der eigenen Arbeit die ausführlichste fremde Beschreibung immer nur Anhalt sein und im besten Fall Ideen liefern. Jeder muß die zu seinen "feinmotorischen" Fähigkeiten passenden Arbeitsabläufe selbst herausfinden.

Die Herstellung von Chronometerfedern war, wie die Herstellung manch anderer Uhrenbestandteile auch, Arbeit von Spezialisten, die uns schon alleine wegen ihrer Ausstattung mit Vorrichtungen und Werkzeugen weit voraus waren. Aufgrund ihrer Erfahrung konnten diese Meister natürlich nicht nur wesentlich schneller und besser arbeiten, sondern haben in der Regel auch bessere Ergebnisse abgeliefert.

Da solche Spezialisten heute praktisch ausgestorben sind, sind wir auf uns selbst gestellt und dürfen, mit der nötigen Geduld und Ausdauer ausgestattet, für uns in Anspruch nehmen, vor keiner Herausforderung zurückschrecken zu müssen.

Hermann Sacher April 2001


Die Abbildung zeigt rechts oben das als Träger dienende Stäbchen, nach links die Feder in drei Bearbeitungsstufen.

Die Feder in drei Bearbeitungsstufen - Bild zum Vergrößern bitte anklicken


Hier findest Du seine weiteren Restaurierungsberichte zum Taschenchronometer L U J von Louis Urban Jürgense:

 

Alle Ergebnisse seiner Jürgensen Forschung findest Du in englischer Sprache hier.

Für weitere Informationen wende Dich bitte an: Hermann Sacher


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