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 Elektrische Großuhren 7
Deutsche übersetzung von Christa Nehls unter Mitwirkung von Felix Closs

© Michel Viredaz, Epalinges (CH)  2002


Eine Einführung in die Entwicklung und Funktionsweise von Elektrischen Großuhren
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Spezielle und anekdotische Konstruktionen

Trotz der Vielzahl unterschiedlicher Arbeitsprinzipien und konstruktionsbedingter Formgebungen waren einige Spezialisten elektrischer Uhren nicht zufrieden und hielten es für notwendig, wirklich originelle, zusätzliche Konstruktionen zu bauen, manchmal sind sie interessant, manchmal eher amüsant.

Beginnen wir mit einem Genie, Martin Fischer aus Zürich, der 1899 das Magneta System kreierte (später Inducta genannt, nachdem seine Firma von Landis & Gyr, Zug, übernommen wurde.) (Abb. 24).

Fig. 24: Magneta Uhr von Martin Fischer aus Zürich, um 1905. Der Induktor (eine Art Dynamo) ist auf der linken Seite des Bildes zu sehen. Das ca. 17 kg schwere Gewicht hängt an einem Stahlband und überträgt seine Kraft durch das Spannen einer starken Speicher-Feder sowohl auf den Induktor (der eine plötzliche und schnelle Bewegung benötigt, um einen Stromimpuls zu erzeugen) als auch auf eine kleine Feder im Federhaus des Gehwerks mit Graham Anker. Das Aufziehen sollte täglich durchgeführt werden und ein im Gehäuse platziertes Alarmsystem schließt einen Kontakt, der eine kleine Lampe aufleuchten lässt, sobald das Gewicht wieder hochgezogen werden muss. Wird die Uhr nicht aufgezogen, so wird das Pendel vorsorglich angehalten, da sonst die angeschlossenen Nebenuhren lange vor der Hauptuhr nicht mehr funktionieren würden. Dieser Zustand kann eintreten, wenn das Gewicht auf dem Gehäuseboden aufsteht. In diesem Fall hält die Elastizität des Stahlbandes das Hauptuhrwerk noch für einige Zeit in Gang, aber die Energie reicht nicht aus, um den Induktor zu bewegen. Später, während der Zeit von Landis & Gyr, wurden diese Uhren alle mit einem elektrischen Aufzug versehen.

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Martin Fischers Slogan war: „Elektrische Uhren ohne Batterie und ohne Kontakt.“ Dies zeigt sehr genau die Probleme in dieser Zeit. Batterien waren unzuverlässig und brauchten einen großen Pflegeaufwand; sie konnten nicht einfach im nächsten Supermarkt gekauft werden! Schaltkontakte verbrannten und oxidierten, da Methoden zur Vermeidung von Funkenbildung noch nicht bekannt waren (die gab es erst einige Zeit später in Form eines Widerstandes in Reihe mit einem Kondensator). Fünfzig Jahre früher beschrieb Wheatstone als Erster eine Uhr mit magneto-elektrischer Induktion. Wheatstone’s Uhr war ein Fehlschlag, weil er das Pendel sowohl als Induktor als auch als Oszillator benutzte.

Fischers Idee bestand darin, eine mechanische Uhr zu konstruieren und sie mit einem getrennten und exakt gebauten magneto-elektrischen Generator zu kombinieren. Dieser Generator wurde durch ein separates Räderwerk angetrieben, das durch die sonst konventionell gebaute Uhr ausgelöst wurde.

Jede Minute gab der Induktor einen kurzen Strompuls (2-3/100 einer Sekunde, die Polarität jedes Mal wechselnd) in ein Netzwerk von Nebenuhren. Nur das Netzwerk ist übrigens elektrisch, nicht unbedingt die Hauptuhr. Die ersten Uhren mussten von Hand aufgezogen werden, später wurden sie ebenfalls mit einem Aufzugsmotor ausgerüstet. Die Konstruktion ist relativ schwer, da der Induktor innerhalb sehr kurzer Zeit eine sehr starke Kraft benötigt, um ausreichend Strom zu produzieren. Die Nebenuhren waren auch sehr speziell, da sie auf  extrem kurze Stromimpulse reagieren mussten. Dies wurde durch eine Speicher-Feder zwischen dem Elektromagneten und dem Gesperr erreicht. Wichtiger Hinweis für Sammler: alle Uhren mit dem Namen Magneta (außer den britischen, die vom Typ Hipp sind) wurden auf diese Art gebaut, aber nicht alle Inducta Uhren, trotz des irreführenden Markennamens. Später baute Landis & Gyr zwei Klassen von Uhren gleichzeitig unter dem gleichen Namen in ähnlichen Gehäusen: Induktor-Uhren und gewöhnliche Uhren mit Motor-Aufzug und Kontakten.

Am anderen Ende ausgefallener, genialer Konstruktionen sollte das bekannte Jamin-Zenith Patent (1982) genannt werden, ein „Zuckerstück“ für Sammler, aber vielleicht nicht das praktischste Zeitmessinstrument (Abb. 25).

Fig. 25: Jamin-Zenith Uhr ohne Gangreserve, Mitte der 20er Jahre d. 20 Jh. Der Dehnungsdraht ist in der Röhre, links im Bild. Er wirkt auf das Pendel durch einen elastischen Hebel und einen Zugdraht unten. Kontakte sind am Oberteil des Pendels. Diese Konstruktion stellt eine Art thermischen Motor dar, der mit 4V Wechselstrom arbeitet. Unabhängig davon ist das Zifferblatt, das wiederum lediglich ein Schwingungszähler ist.

Jamin-Zenith clock Animation einer Jamin-Zenith.

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Es handelt sich um eine Uhr, in der das Pendel durch einen mechanischen Impuls in Bewegung gehalten wird – wir hätten sie in die entsprechende Klasse einreihen können, aber sie ist so speziell, dass wir es vorgezogen haben, sie getrennt zu klassifizieren:  Das Besondere an ihr ist, dass der Impuls weder durch Schwerkraft, einen Elektromagneten oder eine Feder gegeben wird, sondern durch die Ausdehnung und Kontraktion eines erhitzten Drahtes. Jedes Mal wenn der Draht auskühlt (einmal pro Schwingung), bekommt das Pendel einen kleinen Stoss. Es gibt Varianten mit und ohne Stromreserve. Es bedarf eigentlich keiner besonderen Erwähnung, dass diese Uhren voller unerwarteter „Launen“ sind, und dass die richtige Drahtqualität heute kaum noch gefunden werden kann.

Zu diesem Abschnitt über thermische Antriebe können wir auch die Pneuora von Junghans hinzufügen. Es ist eine mechanische Uhr, die durch in einem Kolben komprimierte Luft aufgezogen wird. Die Luft expandiert bei Aufheizung durch eine spezielle Fadenlampe, die durch Elektrizität dank eines im Gehwerk platzierten Kontaktes erhitzt wird. Somit erfolgt die Übertragung zwischen dem „Motor“ und der Uhr durch Luftausdehnung in einem Zylinder. Nebenuhren werden auf die gleiche Weise gesteuert.

Eine andere Uhr mit thermischem Motor ist die PUJA, hergestellt von Karl Jauch in Schwenningen, Schwarzwald. Sie besteht aus zwei Paar Röhren, die mit Alkohol gefüllt sind. Eine dieser Röhren wird von unten erhitzt, so dass der Alkohol in die obere Röhre oberhalb des Schwerpunkts fliesst. Dadurch beginnt sich das System zu drehen und zieht so die Feder eines traditionellen mechanischen Gehwerks auf. (Abb. 26).

Fig. 26: Puja, um 1940.

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Für weitere Informationen wende Dich bitte an : Michel Viredaz

Letzte Revision: 14. November 2002


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