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Zeitmaß aus dem Müglitztal  2
© Marcus Angebauer/KulturMagazin 2001


Ein kleines, unbeugsames sächsisches Dorf leistet dem batteriegeladenen Zeitgeist Widerstand: Die Glashütte-Story.
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Inhaltsübersicht
Anmerkung:
Dieser Artikel von Marcus Angebauer wurde im (k)  KulturMagazin Kassel in der Ausgabe Nr. 67 im Februar 2001 veröffentlicht und der UhrenH@nse freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Ein herzliches Dankeschön  an die Redaktion des (k) KulturMagazins.  Die Bilder wurden teilweise von der UhrenH@nse beigefügt. Fragen und Informationen an den Autor

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Von Urenkeln und Unternehmern (Lange & Söhne und Mühle)

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Mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs wurden die im “Dritten Reich" gleichgeschalteten Glashütter Uhrenbetriebe zur Herstellung von kriegswichtigen Beobachtungsuhren für Marine und Luftwaffe verpflichtet. Am letzten Tag des Krieges, am 8. Mai 1945, bombardierten Flieger den Ort. Was an Fabrikationsanlagen dabei nicht zerstört wurde, fiel der Demontage zum Opfer. Bis zur Wiedervereinigung überlebte aber neben der Legende auch das übriggebliebene Know-How unter dem Dach der VEB Glashütter Uhrenbetriebe – ein Fundus für traditionsbewusste Urenkel und neue Unternehmer.

Als Nachkomme einer der ältesten Familien in Glashütte baute Hans-Jürgen Mühle, Urenkel des Firmengründers des Glashütter Betriebes “Robert Mühle & Sohn" mit dem neuen Produktionszweig "mechanische Präzisionsarmbanduhren" neben Schiffsuhren und nautischen Geräten ein erfolgreiches zweites Standbein auf.

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Der prominenteste Neuanfang gelang der Firma Lange & Söhne. Lange-Werk Caliber L951.1: Die patentierte Schwanenhals-Feinregulierung erlaubt die Korrektur des Gang-Rhythmus ohne Ausbau der Unruh - Bild zum Vergrößern bitte anklicken Meisteruhrmacher Walter Lange, Der Lange-Datograph -  390 hochfeine Einzelteile - Bild zum Vergrößern bitte anklicken Urenkel von Adolph Lange und 1924 in Dresden geboren, kehrte 1990 nach Glashütte zurück und ließ die Traditionsmarke “A. Lange & Söhne" weltweit neu eintragen. Aus dem Potential Glashütter Fachkräfte konnte er seinen Mitarbeiterstamm rekrutierte und bereitete mit Unterstützung der IWC Schaffhausen den Ausbau seiner neuen Werkstätte an der Müglitz vor. Die ersten Lange-Uhren der “Neuzeit" sind keine Kopien der weltberühmten Zeitmesser, die Lange bis zum Zweiten Weltkrieg herstellte. Aber sie sind mit deutlich erkennbaren Elementen der früheren Werke gebaut. Neue Erfindungen machen sie zu Leckerbissen für Liebhaber und Sammler: Die patentierte Schwanenhals-Feinregulierung von Lange erlaubt die Korrektur des Gang-Rhythmus ohne Ausbau der Unruh. Nicht zu übersehen ist Das patentierte Großdatum - Bild zum Vergrößern bitte anklicken die patentierte Großdatumsanzeige als Neuheit in einer mechanischen Armbanduhr. Das Tourbillon (ein Mechanismus zum Ausgleich der durch die Erdanziehungskraft auftretenden Abweichungen in der Ganggenauigkeit) mit konstantem Antrieb über Schnecke und Kette und einem Planetengetriebe weist Konstruktionsmerkmale auf, die es bei Armbanduhren so wohl nirgends gibt. Ob alt oder neu: Lange Uhren sind exklusiv, und dass macht sich natürlich im Preis bemerkbar. Ein bekanntes Auktionshaus limitiert eine Savonette Herrentaschenuhr um 1914 mit 10.500 Mark, die Preise der aktuellen Armbanduhr-Kollektion rangieren zwischen 15.000 und knapp 85.000 Mark.

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Weitere Uhrenfirmen (Nomos und Glashütte Original)

Roland Schwertner, Chef des Hauses Nomos - Bild zum Vergrößern bitte anklickenAngezogen vom Mythos Glashütte tauchte 1990 auch der kapitalschwache, aber uhrenbesessene und ideenreiche Marketingmanager Roland Schwertner an der Müglitz auf – mit der Absicht, die feinmechanische Tradition mit einem bewussten gestalterischen Ansatz neu zu beleben. Das Resultat “Tangente" aus der Nomoskollektion ist mittlerweile zu einem kleinen Kultartikel avanciert. Auszeichnungen der der Die Nomos-Tangente - Bild zum Vergrößern bitte anklicken Sächsische Staatspreis für Design, die Goldene Unruh und der Rote Punkt des Designzentrums NRW haben dafür gesorgt, dass die Marke Nomos einem breiten Publikum bekannt wurde. Seit 1997 ist der Manufaktum-Versand (“Es gibt sie noch, die guten Dinge") Gesellschafter der Nomos Glashütte/ SA.

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Aus den Volkeigenen Glashütter Uhrenbetrieben entstand 1990 die Glashütter Uhrenbetriebe GmbH, deren Uhren seit 1994 mit der Aufschrift “Glashütte Original" versehen werden. “Nomen est omen", meinen die privatisierten Uhrenbauer und stellen hochwertige mechanische Werke mit dem chiastischen Versprechen her: “Wenn Glashütte Original drauf steht, ist auch original Glashütte drin." Von der Konstruktion über die Herstellung der winzigen und komplizierten Einzelteile bis zur sorgfältigen Montage – jeder Arbeitsschritt wird in der Manufaktur ausgeführt. Und das will etwas heißen: nicht weniger als 350 Komponenten müssen beispielsweise für das hochdiffizile Meisterwerk "PanoRetroGraph", das auf der Basler Uhrenmesse 2000 Weltpremiere feierte, zusammenfinden, und bis auf Ankerrad, Anker, Steine, Spiral- und Zugfeder entstanden hierfür alle Teile in der sächsichen Manufaktur. An diesem autarken Anspruch soll sich auch nach der letztjährigen Übernahme von Glashütte Original durch die Schweizer Swatch-Gruppe nichts ändern. Vorteile versprechen sich die Sachsen hauptsächlich auf der Einkaufs- und Vertriebsebene. Und wer weiß: vielleicht gewährt Swatch als Anbieter des Smarts bald Prozente auf das kleine Vierrad, wenn ein Glashütter Original am Armband des Kunden prangt?

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Marcus Angebauer


Impressionen/Bilder aus Glashütte:

Gebäude der ehemaligen Uhrmacherschule  Lange-Denkmal  Uhrenmuseum  Kirche

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(k)-Tipp

Museum für Astronomie und TechnikgeschichteAnschaulich dokumentiert das Kasseler Astronomisch-Physikalische Kabinett die Kunst der Uhrmacher. Im “Uhrensaal" werden 4000 Jahre Zeitmessung erlebbar. Zusehen sind neben Nachbildungen ältester Zeitmessgeräte Räderturmuhren, Stand, Tisch und Taschenuhren sowie eine historische Uhrmacherwerkstatt.

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Eine lebensrettende “Komplikation”: Die Gangreserveanzeige

Die Anzeige der Gangreserve erinnert an das rechtzeitige Aufziehen.Die Anzeige der verbleibenden Laufzeit eines mechanischen Uhrwerks findet heute vorwiegend als kleine Komplikation Anwendung. In zurückliegenden Jahrhunderten konnte die Indikation der Gangreserve allerdings das Überleben bedeuten, zum Beispiel auf See: Dem Marinechronometer galt lange Zeit die höchste Aufmerksamkeit, denn nur er ermöglichte gemeinsam mit einem Sextanten, dem astronomisch-nautischen Jahrbuch und der Seekarte die exakte Berechnung des Schiffsstandortes. Im Anschluss konnte dann der genau Kurs festgelegt werden.

Jeder Blick auf das Zifferblatt eines Marine- oder Seechronometers offenbarte nicht nur die Uhrzeit, sondern zeigte gleichzeitig, wie lange die Zugfeder ohne weiteren Energieanschub auskommen würde. Die allersorgfältigste Behandlung und der Aufzug eines Chronometers zur gleichen Uhrzeit waren vorschriftsmäßig festgelegt. Marinechronometer wurden auch in Glashütte gefertigt. Bei ihnen wurde eine minimale Gangabweichung von nur 0,3 Sekunden pro Tag erreicht.

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Für weitere Informationen wende Dich bitte an : Marcus Angebauer

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